maë schwinghammer

poesie prosa und dramatik

Das ist ein persönlicher Text, ein subjektiver Text, einer über Wohlfühlen und Unwohlfühlen, ein öffentlicher Text, der auf einen öffentlichen Text reagiert.

Diesen 19. März lief im Kunstradio auf Ö1 eine Reihe von Kurzhörstücken, die von Student*innen der Sprachkunst Wien gemeinsam mit Sounddesignern aus Graz erarbeitet wurden. Das Thema war der Architekt Adolf Loos, das allein wäre schon Anlass zu thematisieren, warum gerade der, warum ein Täter, aber das ist hier nicht Thema, letztendlich haben sich fast alle Stücke kritisch mit Adolf Loos auseinandergesetzt in unterschiedlichster Form und von jeder Lobhudelei Abstand genommen.

Es geht um einen bestimmten Beitrag, der, abgesehen vom Setting in einer Bar (die Loos Bar im 1. Wiener Gemeindebezirk), nichts mit dem Thema zu tun hat. Er beschäftigt sich mit einem anderen Thema. Kurz gefasst: Wokeness, Cancel Culture, was darf gesagt werden, was sind Fakten, was sind Gefühle.

Die ganze Sendung kann hier heruntergeladen werden: http://www.kunstradio.at/2023A/19_03_2023.html

Der erwähnte Beitrag beginnt ab Minute 33:58, gerne nun anhören, es gibt aber auch Zitate.

 

Vorangestellt ist der Sendung dieser Hinweis:

Diese Kurzhörstücke unterscheiden sich in fast all ihren Aspekten, im Inhalt, ihren dramaturgischen Mitteln, in den ideologischen Ansprüchen.

 

Vorangestellt ist diesem Text der Hinweis:

Es gab Gespräche und Interventionen im Rahmen des Seminars. Der vor zwei Wochen öffentlich ausgestrahlte Text, hat nur noch in Grundzügen mit dem ursprünglichen Text zu tun, der weitaus problematischer war. Da dieser aber nicht öffentlich ist, soll es nur um den tatsächlich ausgestrahlten Text gehen.

 

Er beginnt mit einem Seminar, wohl der Anlass zum ganzen Text und einer Lehrperson, die zur Begrüßung folgendes sagt.

»The language in this room will be English with some snippets of German of course. It´s hot in here, I will open a window. Nehmen wir Abstand von Vorstellungsrunden und Mirroring, How are you today, please add your pronouns. But first: Lasst uns gemeinsam einen warmen Raum gestalten, in dem alle sich wohlfühlen. Macht Pause so lange ihr eine Pause braucht. Let us come back to this room together, when everyone is ready.«

Lese ich den Text alleine fühle ich mich wohl, höre ich die Stimme dazu, die einer nervigen Lehrerin, fühle ich mich unwohl, wird mir klar, diese Person ist keine Sympathieträgerin.

»A: Ich komme nicht wieder, es zieht mich in die Bar.«

So kommen wir also in die Bar, so kommen wir zu Adolf Loos, damit wäre das auch erledigt.

»A: Ich fühle mich nicht wohl in einem Raum, der sich unkonventionell gibt, nur um jeder Person in einer How are you-Runde Pronomen abzuringen.«

»B: Was ist so schlimm daran seine Pronomen zu nennen?«

Fragt die zweite Person mit männlicher Stimme, die nur dazu dient den Dialog voranzutreiben und Stichworte zu geben.

»A: Es ist eine neue Konvention die alte Probleme nicht löst.«

Wer hat jemals behauptet, Pronomen müssten irgendein Problem lösen? Sie lösen gar kein Problem, sie bedeuten schlicht, dass das Dasein und die Existenz einer Person respektiert wird, das ist ein basic Minimum.

»A: Vielleicht stört mich dabei etwas anderes.«

»B: Und zwar? Weg von Leistung Kapitalismus, meinst du? Das wäre doch gut?«

Was Pronomen mit Leistung und Kapitalismus zu tun haben, weiß ich nicht. Falls wer mehr weiß, gerne melden!


»A: Fakten? Forschung? Sachliche Auseinandersetzung. Das alles gerät in den Hintergrund. Das Wohl und Unwohlfühlen wird zur höchsten Instanz.«

Ich denke Räume in denen Personen Pronomen abgerungen werden, beziehen sich sehr gerne auf Forschungen und Fakten, etwa: trans Personen existieren, Gender ist nicht binär, Geschlecht übrigens auch nicht. Sich mit diesem Grundverständnis nicht sachlich auseinandersetzen zu wollen, hat nichts mit Wohlfühlen/Unwohlfühlen zu tun.

»B: Aber das verunmöglicht doch keine Auseinandersetzung?«

Dankeschön, männliche Stimme B.

»A: Doch das tut es: Wenn Informationen nur zugelassen sind, wenn sich alle mit ihnen wohlfühlen ist es ein Problem.«

Achja du hast nur ein Stichwort gegeben B, damit A einen Punkt machen kann. Ich frage mich, ob sich schon jemals alle in einem Raum mit einer Information wohl gefühlt haben. Ist es ähnlich dem Patriarchat, nicht einfach die Angst vor Veränderung, als würden queerfeministische Inhalte außerhalb von (Kunst-)Universitäten und ein paar Medien den globalen Diskurs dominieren. Eine Pronomen-Runde vor hundert Jahren wäre undenkbar gewesen (trans people have always been there), vor dreißig und vor zwanzig Jahren und vielleicht sogar fünfzehn genauso, ich habe jedenfalls nie eine erlebt. Auf Anwesenheitslisten Deadnames durch den richtigen Namen ersetzen zu lassen, ist auch erst seit kurzem möglich und selbst das ist immer ein einziger Krampf und administrativer Kampf.

»A: Wohlfühlen ist immer Subjektiv. Unwohlfühlen wird schnell als Diskriminierung erlebt und das Gesagte damit entwertet«

Wenn Diskriminierung nur anhand objektiver Kriterien (welche eigentlich?) bestimmt werden kann, wenn Forschung und Fakten zustimmen müssen, dass etwas Diskriminierung sei, dann gab es Jahrhunderte und Jahrtausendelang keine Diskriminierung, da Forschung und Fakten ausschließlich von weißen Männern bestimmt wurden. Fakten und Forschung sind genauso wandelbar wie die Sprache selbst.

»A: Was ich in Frage stelle, ist die Überbetonung von Gefühlen im wissenschaftlichen Diskurs und die Aufweichung bestimmter Begriffe. Es wird schwieriger über Dinge zu reden, wenn die Sprache unklar wird.«

Wenn die Sprache unklar wird, das Objektiv der Wissenschaftlichkeit aus Versehen den Vordergrund (weißes cis-Patriarchat) unscharf stellt, wird vielleicht der Hintergrund sichtbar, alle Personen und Identitäten, die noch nie beachtet wurden.

»A: Verschiedene Meinungen auszuhalten ist wichtig im Diskurs.«

Ich halte die Meinung des Beitrags aus, ich reagiere bloß auf sie.

»A: Ideologie und ihre Folgen müssen kritisierbar bleiben.«

Absolut, radikalfeministische Positionen müssen kritisierbar bleiben. 

»A: Auseinandersetzung muss möglich sein, abweichende Meinungen müssen ausgehalten werden.«

Klar müssen sie ausgehalten werden, irgendwie muss mensch ja als trans Person überleben, ich kann ja nicht bei jedem transfeindlichen Inhalt oder Kommentar ins Exil gehen oder Schlimmeres.

»A: Denk mal darüber nach, wo wir hier sind, wenn jeder mit einer anderen Meinung zum Täter wird, gibt es nicht nur keinen Diskurs mehr, wir konstruieren auch falsche Feindbilder und Gewalt und Diskriminierung werden von Sprachlosigkeit verschluckt.«

Sprachlosigkeit. Die hat mich verschluckt, ich wollte mich in keiner Art und Weise mit diesem Thema und diesem Beitrag beschäftigen, ich wollte einfach mit einer Mitstudentin und unserem Sounddesigner ein Kurzhörstück erarbeiten, stattdessen muss ich darüber nachdenken wo ich hier bin, in welchem Raum ich hier bin, wie safe er ist, wie warm er ist.

Ich habe mich unwohl gefühlt, als ich das erste Mal die Ursprungsversion des Textes gelesen habe, beim Lesen der finalen Version war ich etwas erleichtert, da ich bereits bereit war meinen/unseren Beitrag (wir haben einen Beitrag als Duo verfasst, zu hören als letzter Beitrag) zurückzuziehen und es sich so annehmbar angefühlt hat. Ich habe mich unwohl gefühlt, als ich dann ausgerechnet im Hörstudio warten musste auf unsere eigene Aufnahme und ausgerechnet dieses Stück aufgenommen wurde, mir wurde fast schlecht, ich blieb aber trotzdem. Ich habe mich unwohl gefühlt in den Tagen bis zur Ausstrahlung, ich habe mich unwohl gefühlt am Sendetag, ich fühle mich unwohl dabei diesen Text zu schreiben, ihn schreiben zu müssen, ihn noch immer schreiben zu müssen.

Das ist alles kein Fakt, aber die Existenz von trans Personen, die ist ein Fakt. Darum schreibe ich, persönlich, subjektiv und öffentlich.

Die Zitate sind frei nach dem Hören transkribiert. 

Die offizielle Sendenotiz zur Sendung findet sich hier: https://oe1.orf.at/programm/20230319/712761/Neue-Kurzhoerstuecke 

Danke an alle die zugehört haben, interveniert haben oder sich dem Thema angenommen haben.